Praxisanleitung: KASPERLE-Schema anwenden

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Praxisanleitung: KASPERLE-Schema anwenden

 

Das Betreuungskonzept KASPERLE als Merksatz soll helfen die entwicklungspsychologischen Besonderheiten bei der Betreuung / Versorgung kindlicher Patienten zu berücksichtigen.

Abbildung: Piktogramm KASPERLE-Schema

Indikation

Material

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Durchführung

Anmerkungen

Kontakt aufnehmen und vorsichtig Körperkontakt herstellen

Kinder sind Fremden gegenüber mitunter recht misstrauisch. Dies gilt umso mehr, wenn sie aufgeregt sind und situationsbedingt ohnehin schon Angst haben.

Ist das Kind besonders ängstlich und hat man genug Zeit, sollte man zunächst versuchen, den Kontakt zum Kind über die Eltern aufzubauen.

Möglichst nur ein Helfer sollte behutsam Kontakt zum betroffenen Kind aufnehmen. Dabei kann helfen, Warn- beziehungsweise Sicherheitsbekleidung abzulegen, sich dem Kind langsam zu nähern, sich auf sein körperliches Niveau herunterzubeugen, sich mit Vornamen vorzustellen und nach dem Vornamen des Kindes zu fragen.

Vor allem Körperkontakt der Bezugspersonen zum betroffenen Kind wirkt meist beruhigend und sollte demnach ermöglicht werden. Als fremder Helfer Körperkontakt zu einem verletzten oder erkrankten Kind aufzubauen, ist schwierig und sollte nicht gleich zu Beginn der Hilfeleistung erfolgen, sondern außerordentlich vorsichtig erst dann, wenn schon ein gewisses Vertrauen zwischen dem Kind und dem Helfer besteht und das Kind den Körperkontakt toleriert.

Ablenkung behutsam versuchen

Vom Notfallgeschehen abzulenken, kann Aufregung, Angst und Schmerzempfindung vermindern.

Besonders hilfreich sind hierbei Strategien, die die kindliche Aufmerksamkeit gerade ausgehend vom Geschehen nutzen und das Kind zu aktivem Handeln anregen. Man kann zum Beispiel den kindlichen Patienten bei der Durchführung schmerzhafter Maßnahmen dazu auffordern, einen beteiligten Helfer jeweils so stark zu kneifen, wie es gerade Schmerzen empfindet. Dies lenkt die Aufmerksamkeit des Kindes von der bloßen Schmerzempfindung ab. Dadurch wird dem Kind zusätzlich auch eine Möglichkeit gegeben seine Schmerzen mitzuteilen, was ebenfalls Aufmerksamkeit und Aktivität des Kindes erfordert.

Ablenkung darf aber nicht beinhalten, ein Kind 'zuzutexten' oder die Situation zu bagatellisieren.

Situation und Maßnahmen kindgerecht erklären

Als Ziel aller Informationsvermittlungs- beziehungsweise Erklärungsversuche sollte angestrebt werden, dass das Kind nicht nur über das Geschehen Bescheid weiß, sondern auch erfährt, was es selbst im Geschehen tun kann. Das Kind sollte möglichst aktiv in die Behandlung einbezogen und für jede hilfreiche Verhaltensweise belohnt werden.

Vermittelt werden sollten die Informationen, die das Kind auch aus der eigenen Sicht benötigt und auch versteht. Erklärungen sind allerdings nicht sinnvoll, solange ein zu hoher 'Angstlevel' besteht, weil Informationen vom kindlichen Patienten in einem solchen emotionalen Zustand ohnehin kaum verarbeitet werden können und somit sogar Angst verstärkend wirken können.

Der das betroffene Kind betreuende Helfer sollte aber nicht nur von sich aus Erklärungen geben, sondern vor allem und in erster Linie auch dem Kind die Möglichkeit geben, Ängste und Befürchtungen zu äußern sowie Fragen zu stellen, auf die dann gezielt und vor allem ehrlich eingegangen werden sollte.

Auf bevorstehende Maßnahmen soll ein Kind vorbereitet werden, indem die folgenden Fragen möglichst anschaulich beantwortet werden:

Ebenfalls wichtig für die Informationsvermittlung sind die eventuell der Entwicklungsphase des Kindes auftretenden Schuldgefühle. Hierfür sollten Helfer besonders aufmerksam sein und gegebenenfalls intervenieren, indem sie einem Kind beispielsweise ausdrücklich mitteilen, dass seine Schuldgefühle unbegründet sind.

Personen einbeziehen, die dem Kind nahe stehen

Kinder sind emotional von Bezugspersonen abhängig. Zu den Bezugspersonen hat das Kind Vertrauen, es fühlt sich in ihrer Nähe geborgen und sicher.

Die Anwesenheit beziehungsweise die Einbeziehung von Bezugspersonen eines Kindes in die Hilfeleistung ist dann sinnvoll und anzustreben, wenn diese nicht selbst zu aufgeregt sind.

Entscheidungsfreiheit lassen

Die Wahrung der relativen Selbstkontrolle, hilft dem Kind dabei das Notfallgeschehen besser zu verarbeiten. Einem verletzten oder erkrankten Kind sollen deshalb soweit wie möglich Freiräume geschaffen werden, um eigene Entscheidungen zu treffen, sich sprachlich zu äußern und um sich wie gewünscht zu bewegen. Zur Nutzung dieser Freiräume sollte ein Kind ermutigt werden.

Der kindliche Patient soll wissen, dass es eigene Gedanken und Gefühle aussprechen, Fragen stellen und Schmerzen äußern kann, ohne Widerspruch oder wie auch immer geartete Sanktionen befürchten zu müssen.

Zu lügen, Zwangsmaßnahmen anzuwenden oder Druck auf ein Kind auszuüben, sollten Helfer unbedingt vermeiden, weil dadurch das erwünschte Vertrauensverhältnis zwischen Helfer und Kind (sofern es schon besteht) abrupt zerstört beziehungsweise dessen Entstehung von vornherein nahezu unmöglich gemacht würde.

Ruhe bewahren und im Umfeld für Ruhe sorgen

Kinder nehmen verbale und nonverbale Signale genau wahr. Sie spüren auch Aufregung der Helfer und Hektik im Umfeld, was sich leicht auf das Kind übertragen kann.

Die Helfer sollten, soweit möglich, auch im Notfallgeschehen für Ruhe sorgen, Ruhe bewahren und Aufregung ausdrückende Signale vermeiden.

Lieblingsstofftier beziehungsweise einen Ersatz besorgen

Fast alle Kinder haben Lieblingsstofftiere, die für sie enge Begleiter in allen Lebenslagen sind, denen sie vertrauen und zu denen eine große emotionale Verbindung besteht. Entsprechend sollten Stofftiere, nach Möglichkeit die Lieblingsstofftiere, in die Hilfeleistung einbezogen werden.

Sofern das Lieblingsstofftier nicht verfügbar ist (zum Beispiel Verkehrsunfall) sollte ein entsprechender Ersatz zur Verfügung gestellt werden. Viele Fahrzeuge des Sanitäts- und Rettungsdienstes sind deshalb mit kleinen Kuscheltieren ausgestattet (Notlösung 'Handschuh-Elefant').

Stofftiere sind auch geeignet, um an ihnen bevorstehende Hilfsmaßnahmen zu demonstrieren und das Kind somit auf deren Durchführung vorzubereiten.

Ehrlich sein und kindlichen Patienten ernst nehmen

Kinder haben entwicklungsbedingt große Schwierigkeiten, Schmerzen, Sorgen und Ängste adäquat zu verbalisieren. Sie fühlen sich unter Umständen rasch unverstanden, allein gelassen und hilflos.

Vor allem der jeweilige kognitive Entwicklungsstand, bisherige Erfahrungen mit Krankheit und Verletzungen und die dementsprechend zur Verfügung stehende Verarbeitungs- und Bewältigungsstratigien eines Kindes spielen hier eine große Rolle.

Zu wissen, dass der Helfer die Situation des Kindes versteht und sich ernsthaft bemüht, Anteil zu nehmen, hilft dem Kind, Vertrauen zum Helfer aufzubauen und sich geborgen zu fühlen.

 

Mehr Informationen zur Psychischen Erste Hilfe finden sie in der Praxisanleitung Psychische Erste Hilfe leisten.

Literatur

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Karutz, Harald: KASPERLE: Psychische Erste Hilfe bei Kindern: in Rettungsdienst November 1999, Seite 44 bis 55.

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Karutz, Harald: Psychische Erste Hilfe bei Kindern: in Rettungsdienst November 2002, Seite 44 bis 49, Teil 2: Regeln für die Einsatzpraxis.

Diese Seite wurde am 2021-08-16 19:34 erstellt.

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